Lokale Agenda & Tourismus

Die Zukunft gemeinsam umweltverträglich gestalten:
Handlungsfeld Freizeit - Tourismus

Was ist die Lokale Agenda 21?

1992 wurde in Rio de Janeiro die Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) abgehalten. Ein zentrales Dokument, was dort von 178 Staaten der Erde unterzeichnet wurde, war die Agenda 21, ein globales Handlungsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert. Ausgangspunkt zur Erstellung dieses Dokuments war die Erkenntnis, dass durch das drastische Wachstum der Weltbevölkerung und den steigenden Verbrauch vieler nicht erneuerbarer Ressourcen die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit der Erde bald erreicht sind. Somit wären die Entwicklungschancen für zukünftige Generationen nicht ausreichend gewährleistet. Die steigenden Ansprüche an den Lebensraum und die lebenswichtigen Ressourcen können nur durch eine globale "Nachhaltige Entwicklung" zukunftssicher gelöst werden. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung dürfen nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden, sondern sollen gleichberechtigt nebeneinander und miteinander fungieren. Im Kapitel 28 der Agenda 21 werden die Kommunen direkt aufgefordert das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung in kommunale Handlungsprogramme umzusetzen und somit eine Lokale Agenda 21 zu entwerfen. Das Ziel einer nachhaltigen kommunale Entwicklung soll verstärkt mit Hilfe des Partizipationsprinzips durchgesetzt werden, welches die Bürger einer Kommune an den Agenda-Prozessen teilhaben lassen soll.

Träger des Agenda-Prozesses

Neben den Vertretern der Politik können und sollen auch so genannte 'Nicht- Regierungs-Organisationen' (NRO) an dem Agenda-Prozess teilnehmen, indem von ihnen Projektvorschläge zu den jeweiligen Agenda-Themen eingereicht werden können. NROs können Vereine, Bürgerinitiativen, Marketingbüros sowie Schulen und andere Bildungseinrichtungen sein.

Tourismus und Freizeit in der Agenda 21

In der Agenda 21 sind dem Tourismus und dem Freizeitverhalten kein eigenes Kapitel eingeräumt worden. Einige Kapitel behandeln zwar Themen die auch Bereiche des Tourismus betreffen (z.B. Reduzierung des Autoverkehrs, Schutz von Ökosystemen), können jedoch die spezifischen freizeit- und tourismusbezogenen Probleme (z.B. flächenintensive infrastrukturelle Anlagen) nicht befriedigend lösen. Da die Bedeutung des Tourismus und der Freizeitgestaltung für den Menschen zunehmend wichtiger wird und sich der Tourismus zu einem starken globalen Wirtschaftszweig entwickelt hat, ist es zwingend erforderlich, die Thematik eigenständig in den Prozess der nachhaltigen Entwicklung einzubeziehen.

Freizeitgestaltung als ein Teil der Daseinsgrundfunktionen

Neben Verkehr, Bildung, Versorgung und Arbeit zählt auch Freizeit als eigenständige Komponente zu den Daseinsgrundfunktionen. Dass die Freizeitgestaltung einen nicht zu vernachlässigenden Teil des menschlichen Lebens ausmacht, ist unumstritten. Ein Drittel unserer Zeit widmen wir freizeitlichen Aktivitäten: Prozentual werden 10% für den Urlaub, 70% für die tägliche Freizeit und 20% für die Wochenenden beansprucht. Die Möglichkeit, sich durch Freizeitaktivitäten zu verwirklichen, scheint einen immer größeren Stellenwert für das Wohlbefinden des Menschen einzunehmen.

Freizeitgestaltung und Tourismus als Problemfelder?

Mit zunehmender Bedeutung der "freien Zeit" und dem wachsenden Bedarf an psychischer und physischer Regeneration durch die Freizeit steigen auch die Ansprüche an den inner- sowie außerstädtischen Freiraum und die damit verbundene Infrastruktur. Ein für Freizeit und Tourismus attraktiver Standort "auf der grünen Wiese" muss zum einen die Bedürfnisse der Benutzer zufriedenstellend decken und zum anderen den ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Für innerstädtische Standorte verschärft sich die Problematik der Nutzungskonflikte auf Grund des beschränkten Freiraumangebots zunehmend. Um eine nachhaltige Freizeitgestaltung durchzusetzen, bedarf es einer Klärung des Begriffs Nachhaltigkeit im Bezug auf die Freizeit- bzw. Freiraumgestaltung. Wichtig ist es, klare Ziele der nachhaltigen Freizeitgestaltung zu definieren. Es ist nötig, Probleme zu analysieren und Handlungsfelder aufzuzeigen, um einen nachhaltigen Handlungsbedarf zu rechtfertigen. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung muss es sein, die bestehenden Nutzungskonflikte durch entsprechende Konzepte zu lösen.

Was bedeutet Nachhaltigkeit im Bereich Freizeit und Tourismus?

  • Gewährleistung einer zufrieden stellenden Umweltqualität: Rückgang von Wasser- und Flächenverbrauch auch bei wachsender Beanspruchung. Erhöhung der Effizienz bei der Nutzung natürlicher und kultureller Ressourcen. Tourismus soll langfristig profitabel und ökonomisch bleiben,
  • Erhaltung der biologischen Vielfalt und schonender Umgang mit der Eigenart und Schönheit der Natur: Natur und Umwelt sind nicht erneuerbare Ressourcen,
  • Soziale Verträglichkeit des Tourismus: Einheimische müssen ihre soziokulturelle Identität beibehalten und dürfen nicht als Statisten in "Urlaubskulissen" missbraucht werden,
  • Optimale Erholung der Gäste: Eigenbestimmung, Gesundheitsförderung und Verantwortungsbewusstsein sollten Motive der touristischen Aktivität sein.

Aus diesen Ansprüchen ergibt sich ein konkreter Handlungsbedarf, den man in zwei Hauptgruppen unterscheiden kann:

Zum Einen stehen die Kommunen in der Verantwortung, den Bedarf an Erholung der eigenen Bürger zufriedenstellend und nachhaltig zu decken. Zum Anderen müssen die Kommunen das Fremdenverkehrsaufkommen umweltverträglich und wertschöpfend zu nutzen und zu lenken wissen.

In einer effizienten Lösung der Probleme beider Aufgabenbereiche muss das Anliegen einer jeden Kommune liegen. Bei einer gelungenen Problemlösung können sich durchaus positive Nebeneffekte für die Kommunen herausstellen, z.B. ein Imagegewinn der Kommune durch beispielhafte Lösungen.

Handlungsbedarf im Bereich städtischen Freizeitverhaltens

  • Die Ballungsräume müssen sich mit dem Problem des stetig steigenden Anspruchs an den bestehenden Lebensraum auseinandersetzen. Dieser Lebensraum muss nicht nur die Wohn-, Versorgungs-, Arbeits- und Bildungsfunktionen gewährleisten, sondern auch zu einem nicht zu unterschätzenden Teil die Freizeitansprüche verkraften (sowohl Ansprüche der Bürger als auch Ansprüche der Touristen).
  • Der Stellenwert der Freizeitgestaltung wächst zunehmend und es muss ein individuelles Verlangen nach Bedürfnisbefriedigung gestillt werden. Freizeitliche Aktivitäten wie Survivaltraining, Mountainbiking oder Snowboarding nehmen der Natur die letzten unberührten Plätze.
  • Die Hälfte aller PKW-Fahrten sind Fahrten, die im Zusammenhang mit der Freizeitgestaltung getätigt werden. Um den motorisierten Individualverkehr (MIV) einzudämmen, müssen Erholungsgebiete geschaffen werden, die attraktiv und stadtnah sind. Des Weiteren muss mit der Einrichtung von funktional gemischten Gebieten einer Zersiedlung und der damit verbundenen Zwangsmobilität entgegengewirkt werden (Stadt der kurzen Wege).
  • Durch die eher unbefriedigenden freizeitlichen Nutzungsmöglichkeiten in den städtischen Räumen ergeben sich erhebliche Nutzungskonflikte im innerstädtischen Bereich sowie im nahen Umfeld der Städte. Durch die unterschiedlich gewichteten Ansprüche an zur Verfügung stehenden Freiflächen entstehen Spannungsfelder (Naturschutz vs. Naherholung).
  • Innerstädtische Freiräume weisen oft qualitative Mängel auf und sind für Nutzer unattraktiv. Durch steigende Lärmbelastung und enge Bebauung werden die nahen oder innerstädtischen Erholungsgebiete gemieden. Wichtig ist es, innerstädtische Freiräume zu schützen und aufzuwerten, wobei jedoch das Prinzip der Schließung von Baulücken beibehalten werden soll.
  • Die in den letzten Jahrzehnten entstandene Freizeitinfrastruktur wird den Bedürfnissen einer modernen Freizeitgesellschaft nicht gerecht. Das Ziel einer modernen und bedarfsorientierten Freizeitpolitik muss es sein, nachhaltige Lösungen zu finden.

Handlungsbedarf im Bereich des Tourismus

  • Monostrukturierte Erholungsgebiete können auf lange Sicht den Bedürfnissen der Urlauber nicht entsprechen und Konzepte des "sanften Tourismus" sollten zum Tragen kommen.
  • Landschaftszerstörung und Zersiedlung sowie hohe Flächenansprüche bestimmter Freizeiteinrichtungen fordern innovative Lösungsvorschläge. Freizeitparks, Tennisplätze, Sportcenter oder Golfplätze auf der Grünen Wiese fördert den MIV.
  • Dem Trend der Verdrängung der Landwirtschaft durch den Tourismus muss Einhalt geboten und ein kulturell wertvolles Erlebnisangebot geschaffen werden. "Ferien auf dem Bauernhof" oder Fahrradtourismus bieten eine naturverbundene und kulturell anspruchsvolle Form des "sanften Tourismus".
  • Schätzungsweise 60% aller Flüge sind Tourismus oder Freizeitflüge. Die Nutzung von umweltverträglichen Transportmitteln wie der Eisenbahn muss forciert werden.
  • Anstatt einmal pro Jahr in den Urlaub zu fahren, werden mehrere Kurzurlaube bevorzugt. Das bringt das Problem mit sich, dass für die gleiche Urlaubszeit in der Regel mehr Kilometer zurück gelegt werden und somit mehr Kraftstoff verbraucht wird.
  • Bildungspolitisch muss in den Bereichen Tourismus wie Freizeitgestaltung präventiv Aufklärung geleistet werden. Es müssen hier besonders die Schulen und Bildungseinrichtungen mit Schulungs- und Unterrichtsmaterialien versorgt werden.
  • Es bedarf eines kommunalen touristischen Nachhaltigkeitsplanes, der klare qualitative wie quantitative Zielvorgaben für einen ressourcenschonenden und sozialverträglichen Tourismus festlegt.

    (Text: Christian Weinrich)